Thomas Pagel
UPDATE NACHHALTIGKEIT im Gespräch mit den Protagonist*innen der Branche: Wir fragen Architektinnen und Architekten: Was sind die wichtigsten Entwicklungstrends in der Baubranche? Wie sehen die optimalen nachhaltigen Gebäude aus und welche gelungenen Beispiele gibt es? Wie wird nachhaltiges Bauen in der Realität umgesetzt und wie weit werden Gedanken der „Kreislaufwirtschaft“ und „Nachhaltigkeit“ bereits in Planungen integriert? Was sind die Hürden beim nachhaltigen Bau? Heute steht Dipl.-Ing. Architekt BDA Thomas Pagel (pagelhenn architektinnenarchitekt) Rede und Antwort.

pagelhenn architektinnenarchitekt
Status quo
Wie sieht für dich das ideale nachhaltige Gebäude aus?
Ein nachhaltiges Gebäude ist von großer Schönheit, einfacher und dauerhafter Konstruktion und fügt sich als eine allgemein empfundene Bereicherung im kulturellen und gesellschaftlichen Kontext des Ortes ein, an dem es steht.
Ein nachhaltiges Gebäude besitzt eine räumliche Struktur, die vielfältige Nutzungen ermöglicht. Die architektonische Gestaltung und die Materialität berücksichtigen bereits grundlegende physikalische Zusammenhänge und bieten damit die besten Voraussetzungen für Behaglichkeit und Komfort.
Ein nachhaltiges Gebäude kann auf wartungsintensive und verhältnismäßig kurzlebige haustechnische Anlagen weitgehend verzichten.
Es hat alle Voraussetzungen für eine sehr lange Lebensdauer.
Kreislaufwirtschaft
Wo siehst du die aktuellen Probleme in der Umsetzung von nachhaltigen Projekten?
Die Probleme entstehen durch phrasengesättigten Aktionismus und einen sinnlosen Überbietungswettbewerb an Belohnungs- und Zertifizierungsverfahren. Diese stehen in engem Zusammenhang mit unreflektierten politischen Entscheidungen, die den Weg zu vielfältigen und kreativen Lösungen künstlich verengen und durchaus kritikwürdige Technologien und Verfahren strukturell und einseitig begünstigen. Anstatt Rahmenbedingungen als ein zu erreichendes Ziel zu definieren, werden Weg und Technik sehr konkret festgesetzt und damit Innovationen mindestens behindert.
Bauprodukte und Baustoffe
Was sind nachhaltige Baustoffe?
Ein nachhaltiger Baustoff ist dauerhaft und bleibt als Teil eines Gebäudes über einen sehr langen Zeitraum unverändert und ohne erheblichen Wartungsaufwand an Ort und Stelle. Er gewinnt bestenfalls noch an atmosphärischem Wert und trägt seinen Teil zu einer dauerhaften Akzeptanz und Brauchbarkeit des Gebäudes bei, in das er verbaut ist. Ein nachhaltiger Baustoff entzieht sich der Frage nach schneller Wiederverwertbarkeit und relativiert durch seine Langlebigkeit auch den Aufwand seiner Herstellung.
Stadtplanung / Stadtentwicklung
Kann Stadtplanung einen positiven Einfluss auf das Thema Nachhaltigkeit haben?
Der Städtebau ist der Schlüssel zur Nachhaltigkeit. Städte, in denen wir gerne leben, die brauchbar und schön sind, werden dauerhaft gepflegt werden und sich aus der Substanz heraus weiterentwickeln, weil sie einen Wert besitzen, den zu erhalten es gilt. Die Qualität des Städtebaus, die gelungene Einbindung des Gebauten in den gewachsenen Zusammenhang, die Verankerung in der Geschichte des Ortes und die Anknüpfung an die Themen der Zeit und der Gesellschaft sind die unabdingbaren Voraussetzungen für langfristige Akzeptanz und Identifikation.
Haltung
Wie wichtig ist dir das Thema nachhaltiges Bauen auf einer Skala von 1-10?
Bauen sollte immer nachhaltig sein. Wenn dies auch für die Zukunft gelingen soll, muss alles das, was bereits an Ressourcen zwangsläufig vorhanden ist, ernst genommen und in den Planungsprozess eingebunden werden. Dem stehen leider oft Vorschriften, Normen und idealisierte und damit unzutreffende Nachweisverfahren entgegen. Mit immer neuen Schlagworten und technischen Regelungen wird man dem Thema auch nicht gerecht. Vielmehr muss sich das Nachdenken wieder intensiver architektonischen Themen zuwenden. Viele Probleme können so bereits im Entwurf vermieden werden, wodurch sich auch die oftmals umfangreich erforderlichen anlagentechnischen Lösungen auf das wirklich notwendige reduziert werden können.
Herangehensweisen und die Ansprüche müssen allerdings in gleicher Weise befragt werden wie die technischen Aspekte des Bauens. Besonders auch im Hinblick auf einen wirklich nachhaltigen Umgang mit dem Gebäudebestand bedarf es zunehmender Phantasie und Bereitschaft, sich auf bereits Vorhandenes einzulassen. Hier ist ein großes Potential vorhanden, das oft unter weitgehender Verwendung bestehender baulicher Struktur für zukünftige Nutzungen langfristig brauchbar gemacht werden kann. Hier sind Planer und Bauherrn in gleicher Weise aufgefordert, Mut und Anpassungsfähigkeit zu zeigen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Vielen Dank.